02. - 04.12.2022
Editorial
Vom 2. bis 4. Dezember 2022 finden in Rostock bereits zum 10. Mal die Tage des indigenen Films statt. Zwischen Freitag und Sonntag werden wir wieder eine Auswahl von acht Filmen und drei Workshops bzw. Vorträgen im li.wu (Lichtspieltheater Wundervoll) in der Frieda23 präsentieren.
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Die Teilnahme an den Workshops ist für alle Interessierten kostenfrei.
Festivaltickets für 25 Euro, die den Eintritt zu allen acht Filmen der Tage des indigenen Films beinhalten, sind im LiWu erhältlich.
Für einzelne Filmvorstellungen gelten die Preise des LiWu:
7,50€ Normalpreis, 6€ ermäßigt und 5€ unter 21 Jahren
Mehr Infos zu Preisen, Anfahrt und dem Kino in der Frieda23 findet ihr auf der Seite des LiWu https://www.liwu.de/infos#preise
Der Zugang zum Kino ist barrierefrei.
Aktuelle Informationen findet ihr neben dieser Website auch auf:
Facebook www.facebook.com/indigenerfilm
Instagram www.instagram.com/indigenerfilm
Wir freuen uns auch über Eure Bewertungen!
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The Indigenous Film Days will already take place for the 10th time from 2 to 4 December 2022 in Rostock. Between Friday and Sunday, we will present a selection of eight films and three workshops/lectures in the li.wu motion-picture theatre (Lichtspieltheater Wundervoll) in the FRIEDA 23 centre of arts and media.
Del 2 al 4 de diciembre de 2022, se celebrará en Rostock la que es ya la 10ª edición de las Jornadas del Cine Indígena. Entre el viernes y el domingo presentaremos una selección de ocho películas y tres talleres o conferencias en el li.wu (Lichtspieltheater Wundervoll) del Frieda23.
Programm der Filmtage
2022
Workshop I – Indigene Selbstbestimmung und Urbanität
Llanquiray Painemal ist Mapuche mit einem chilenischen Pass und lebt in Berlin.
In ihrer Jugend ist sie in einer mapuche comunidad (Gemeinde) aufgewachsen und sozialisiert worden. Sie war sehr früh politisch aktiv und trat für das Recht auf Selbstbestimmung der Mapuche und gegen Rassismus ein.
In Berlin hat sie das Kollektiv Mawvn initiiert, eine Gruppe, die für die Situation der Mapuche im heutigen Chile und Argentinien sensibilisiert und aktiv ist. Die Vernetzung mit anderen indigenen Völkern der Welt ist ein wichtiger Teil ihres Aktivismus. Vor allem geht es uns um die Sichtbarmachung und Solidarität mit indigenen Organisationen und Bewegungen, die ihre Territorien gegen extraktivistische Projekte verteidigen.
In ihrer Präsentation wird sie kurz auf die Geschichte des Mapuche Volkes eingehen, insbesondere auf die Bedeutung des Kolonialismus und die Folgen für die heutige Zeit. Vor allem das Narrativ, das über sie existiert, und welche Rolle es in der heutigen dominanten Gesellschaft spielt. Sie wird auch darüber sprechen, was es bedeutet, Mapuche in der Stadt zu sein und mit welchen Problemen sie konfrontiert sind.
Indigene Gesellschaften kämpfen auch in Europa gegen die Zerstörung ihrer Siedlungsgebiete durch Bergbaukonzerne, gegen die Behinderung ihrer selbst gewählten Lebensweise und für politische Teilnahme. Die Sámi wurden genötigt, sich in die jeweiligen Kulturen der Nationalstaaten zu assimilieren, in die ihr Land aufgeteilt wurde: Norwegen, Schweden, Finnland und Russland. Auch wenn die Sámi von den Staaten mittlerweile als ethnische Minderheit anerkannt werden, müssen sie weiter um Selbstbestimmung kämpfen.
Die Dokumentation EATNAMEAMET – Our Silent Struggle begleitet junge Sámi in Finnland, die sich für Selbstbestimmung und politische Autonomie einsetzen. Sie tragen intergenerationelle Traumata in sich und sind damit aufgewachsen, gegen einen Staat misstrauisch zu sein, der ihr Volk auch heute noch ungleich behandelt. Ida-Maria Helander, die Vorsitzende der finnischen Sámi-Jugendorganisation, vertritt ihre Gemeinschaft vor den Vereinten Nationen in New York. Sie prangert dort die Eingriffe des finnischen Staates in die Gebiete der Sámi an. Eingriffe, die den Zuschauer*innen vor Augen geführt werden: Nickel- und Goldminen reißen Löcher in die Taiga Nordfinnlands, das geplante Infrastrukturprojekt „Arctic Railway“ wird die Rentierzucht erschweren und riesige Schneisen in den Wald schlagen. Proteste formieren sich – im Wald wie im Abgeordnetenhaus. Doch die ehemalige Präsidentin des Sami-Parlaments, Tiina Sanila-Aikio, muss zusehen, wie Sámi in ihrer eigenen Vertretung zunehmend an Einfluss verlieren.
Die Filmemacherin Suvi West beschäftigt sich in ihren Filmen damit, wie junge Sámi ihre ethnische Identität behaupten. Sie versteht ihre Dokumentation daher als Hilfeschrei und Aufklärungskampagne. Der Film richtet sich insbesondere an Zuschauer*innen innerhalb und außerhalb Finnlands, denen die Kämpfe der Sámi noch nicht bekannt sind.
Rodrigo ist der Sohn eines Großgrundbesitzers im Grenzgebiet zwischen Uruguay und Brasilien. Die Ländereien der Familie werfen nicht mehr so viel ab wie früher und es ist schwierig geworden, Angestellte für die harte Landarbeit zu gewinnen. Rodrigo stellt den unerfahrenen Carlos ein, dessen Vater bereits auf der Farm gearbeitet hat. Beide Männer sind junge Familienväter und müssen sich in dieser neuen Rolle zurechtfinden. Sie können sich eine Zeit lang helfen, ihre jeweiligen Bedürfnisse zu stillen und zwischen ihnen keimt eine Art Freundschaft auf. Doch nach einem tödlichen Unfall verändert sich ihre Beziehung. Der soziale und ökonomische Graben, der ihre Familien trennt, macht eine aufrichtige Solidarität zwischen ihnen unmöglich. Der Film erzählt auch die Geschichte zweier Protagonisten, die versuchen, in ihrem jeweiligen sozialen Milieu dem vorherrschenden Männlichkeitsbild zu entsprechen und zweier Frauen, die gerade deshalb einen eigenen Weg finden müssen, mit ihren Sorgen umzugehen.
Nach der Wirtschaftskrise, die 2002 Argentinien und Uruguay erschüttert hat, mussten viele landwirtschaftliche Betriebe schließen. Die Konzentration auf wenige Großbetriebe nahm zu, wodurch viele Landarbeiter*innen ihre Jobs verloren und in die Städte migrierten. Sie werden seitdem saisonweise auf den Ländereien eingesetzt. Sie müssen mit ihrer gewohnten Lebensweise brechen und sind von ihren Schicksalgenoss*innen isoliert. Die Farmer wiederum nehmen die Ausbeutung ihrer Angestellten in Kauf, um ihr Unternehmen rentabel zu halten und romantisieren die Lebensweise auf dem Land.
Pferde stehen im ländlichen Uruguay für beide Seiten als Symbol der Unabhängigkeit und der Verbindung mit der Natur. Bilder, auf die der Regisseur Manolo Nieto zurückgreift, wenn die Protagonisten in seinem Film ihre Lebensfragen auf den Rücken von Pferden aushandeln. Mit Gespür für emotionale Feinheiten und in unaufgeregtem Tempo arbeitet Manolo Nieto Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Denjenigen heraus, die sich auf den Farmen begegnen. Die Kamera setzt die Weite des ländlichen Uruguays, seine Farmen und Landschaften in Szene.
Der Minenarbeiter Elder erreicht mit seinen Freunden nach einem strapaziösen Marsch die bolivianische Hauptstadt La Paz, um sich dort dem Streik der Bergleute für bessere Arbeitsbedingungen anzuschließen. Da sie ihre Stellen bereits verloren haben und der Weg zurück keine Perspektiven bietet, stranden sie in der Stadt und werden von ihr verschluckt. Elder wird durch eine mysteriöse Krankheit heimgesucht. Seine vermeintliche Verwandte Mama Pancha besorgt den Männern Knochenjobs auf dem Markt, doch Elder driftet immer weiter in eine Welt der Fieberträume ab. Der eremitische Eigenbrötler Max, selbst geplagt von düsteren Visionen, nimmt sich Elders Heilung an. So verbindet er das Diesseitige mit dem Jenseitigen, was in Elder und vielleicht auch in ganz La Paz aus den Fugen geraten scheint.
La Paz ist die eigentliche Protagonistin, der sich die Zuschauer*innen Schicht für Schicht annähern. Erst von außen mit der Perspektive aus der Seilbahn, die das höher gelegene El Alto mit dem unüberschaubaren Moloch der Stadt verbindet, sich dann immer tiefer in die Gassen, die Beziehungen und schließlich ins Innenleben der Bewohner*innen begebend.
Der materielle Notstand der Arbeiter wird steht einem spirituellen Notstand gegenüber, so bedarf es zur Heilung neben den Arbeitskämpfen die Perspektiven der Außenseiter, von denen man nicht weiß, ob sie Schamanen oder Scharlatane sind.
Laut dem bolivianischen Filmemacher Kiro Russo ist La Paz die am wenigsten westliche Hauptstadt Südamerikas. In EL GRAN MOVIMIENTO illustriert er die Gleichzeitigkeit von kolonialer Kontinuität, sozialem Aufbruch, Vorstellungen von Modernität, Popkultur und indigenen Traditionen, die auf die Charaktere in der Stadt einwirken und von ihnen verkörpert werden. Das bildgewaltige, auf 16mm-Film gedrehte Werk bleibt rätselhaft und düster, während er Dokumentarisches mit dem Phantastischen vermischt.
Workshop II: Movements and Moments: Indigene Feminismen
In den letzten Jahren hat der Feminismus eine bemerkenswerte Karriere hingelegt. Nachdem er früher als unzeitgemäß, verkniffen und uncool galt, wollen heute alle dabei sein. Toll! Aber er hat ein Problem: Meist finden hauptsächlich westliche, weiße und privilegierte Aktivist*innen in der Öffentlichkeit mit ihren Themen Gehör.
Dabei sind es vor allem BIPoC und speziell indigene Feminist*innen, die seit Jahren und Jahrhunderten für Anliegen kämpfen, deren Dringlichkeit uns allen immer stärker bewusst wird. Angesichts der Klimakatastrophe und der andauernden Ausbeutung von Mensch und Natur weisen indigene, feministische Wissensformen einen möglichen Weg in eine gerechtere Zukunft.
In zehn Comic-Storys, die vom Goethe-Institut Indonesien 2020 nach einem internationalen Call gemeinsam mit einer Fach-Jury ausgewählt wurden, werden Aktivist*innen aus zehn Ländern des Globalen Südens von Chile über Peru, Ecuador, Bolivien, Brasilien, Thailand, Vietnam, Nepal und Indien bis zu den Philippinen vorgestellt.
Die Künstler*innen, die großteils in Teams und unter der fachkundigen Anleitung ihrer Mentorinnen Nacha Vollenweider und Amruta Patil gearbeitet haben, stellen dabei so diverse Bewegungen vor wie die der anarchistischen Chola-Gewerkschafterinnen im Peru der 1920er, den brasilianischen Kampf für die Rechte indigener LGBTQIA+-Personen von den Anfängen der Kolonialisierung bis heute oder die Pflege bedrohter musikalischer Traditionen im vietnamesischen Hochland.
In allen Geschichten spielen Themen wie der Kampf gegen die Zerstörung der Natur, z.B. durch die Errichtung von Wasserkraftwerken, für Bildung und für die Rechte aller sexueller und geschlechtlicher Identitäten eine zentrale Rolle. Die Vielfalt der zeichnerischen und erzählerischen Stile bilden die Vielfalt der verschiedenen Aktivismen perfekt ab – und sorgen beim Lesen und Entdecken für große Freude.
Der Protest gegen die Robbenjagd ist eine der erfolgreichsten Kampagnen von Tierschutzorganisationen wie Greenpeace und Sea Shepherd. Bereits seit den 1970er Jahren zeichnen sie ein Bild von blutrünstigen Jägern, die wehrlose Robbenbabys abschlachten, um sich an ihren Pelzen zu bereichern. Durch die Unterstützung von Prominenten wie Paul McCartney und Pamela Anderson wurde das Tragen von Robbenfell auch in Europa zum Tabu. 2009 hat das Europäische Parlament die Einfuhr von Robbenfellen in die EU verboten, woraufhin der Weltmarkt für die Produkte zusammenbrach. Mit der Robbenjagd konnte kein Geld mehr verdient werden.
Ein großer Teil der Robbenjäger sind Inuit. Mit dem Fleisch versorgen sie ihre Gemeinschaften mit Nahrung und die Felle sind ihr einziger Zugang zum globalen Wirtschaftskreislauf. Ohne diese Einkommensquelle lässt sich die Jagd nicht refinanzieren. Das entzieht nicht nur den Jägern ihre Lebensgrundlage, es verunmöglicht auch ihre Aufgabe, die Umwelt ihres Landes zu schützen, während die Öl- und Bergbauindustrie in ihren Lebensraum vordringt.
Die Dokumentation begleitet Jäger dabei, wie sie Tiere erlegen, verarbeiten und das Fleisch in ihrer Gemeinschaft verteilen. Sie zeigt, wie das Geschäft der Tierschutzorganisationen mit dem Thema Robbenjagd funktioniert und entkräftet die Vorurteile gegenüber den Jägern, die durch ihre Kampagnen verbreitet wurden.
Die Filmemacherin Alethea Arnaquq-Baril schließt sich einer Gruppe junger Inuit-Aktivist*innen an, die sich gegen die Vorurteile über die Robbenjagd zur Wehr setzen. Sie versuchen die Tierschutzorganisationen und die politischen Entscheidungsträger*innen zu konfrontieren, die sich nie für die Auswirkungen ihrer Kampagnen auf die Inuit interessiert haben.
Unter den Inuit im kanadischen Nunavut Territory, die es laut Arnaquq-Baril wertschätzen, wenn Konflikte ruhig und besonnen gelöst werden, wird Wut zur produktiven Kraft, um für Selbstbestimmung zu kämpfen.
Die 12-jährige Tekehentahkhwa, mit dem Spitznamen Beans, wächst in einem Mohawk-Reservat in der Nähe von Montréal auf und bereitet sich auf die Aufnahmeprüfung einer angesehenen Schule vor. In der Nachbargemeinde wehrt sich die Mohawk-Community gegen die Pläne, einen Golfplatz auf dem Friedhof ihrer Gemeinschaft zu bauen. Beans und ihre Familie schließen sich den Protesten an. Als der Konflikt eskaliert, wird Beans mit der Realität als heranwachsende Indigene konfrontiert. Die weißen Bewohner*innen der Nachbargemeinden richten sich gegen sie, die Polizei weigert sich, ihre Gemeinschaft zu schützen und in den kanadischen Medien verunglimpfen Politiker den Protest als Terrorismus. Beans muss lernen, mit dem gesellschaftlichen Hass gegen sie und ihrer aufkeimenden Wut umzugehen. Sie hängt sich an den Freundeskreis der älteren April. Auch um in dem Kreis der Jugendlichen zu bestehen, muss sie sich ein dickes Fell zulegen. Beans stellt sich den Herausforderungen des Erwachsenwerdens, während um sie herum ihre Mohawk-Gemeinschaft ihre Selbstbestimmung behauptet.
Der Film behandelt die Oka-Krise von 1990, die bereits letztes Jahr mit Alanis Obomsawins Dokumentation Kanehsatake: 270 Years of Resistance Gegenstand der Tage des Indigenen Films war. Archivmaterial aus Obomsawins Dokumentation wird in BEANS integriert, um die Stimmung der Zeit und den politischen Kontext aufzugreifen. Die Filmemacherin Tracey Deer will mit BEANS zeigen, welche Auswirkungen es für die Mohawk bis heute hat, im Fadenkreuz von Wut und Hass ihrer weißen Mitmenschen und des Staates gestanden zu haben. Tracey Deer war selbst als junges Mädchen an den Protesten beteiligt und bringt viele ihrer eigenen Erfahrungen mit dem Schicksal der Protagonistin auf die Leinwand. Mit der Coming-of-Age Geschichte richtet sich Deer auch an ein jugendliches Publikum.
In der staatlichen Filmhochschule von Mumbai wird eine Kiste mit Briefen gefunden. Die Filmstudentin L. schreibt ihrer Liebe K. von ihrer Sehnsucht, ihrer Hoffnung und ihrer Verzweiflung. L. und K. gehören verschiedene Kasten an und ihre Beziehung wird von weiten Teilen der Gesellschaft nicht akzeptiert. Die Hochschule ist eine Nische für die Studierenden, in der sie persönliche Freiheiten, politische Visionen und Solidarität untereinander zelebrieren. Sie entwickeln hier eine Sprache, mit der sie festhalten können, was um sie herum und in ihnen passiert. Doch die Gesellschaft, in der sie leben, verändert sich.
Seit 2014 wird Indien von Narendra Modi und seiner Partei BJP regiert. Unter dem ethnonationalistischen Hindu-Regime verstärkt sich die feindselige Stimmung gegen Muslime, werden Frauenrechte beschnitten und das Kastensystem erstarkt. L. erzählt in ihren Briefen von Streiks und Demonstrationen, die sich gegen die Diskriminierung von Muslimen durch Reformen im Staatsbürgerschaftsrecht richten, vom Protest gegen die Erhöhung der Studiengebühren und von der Verzweiflung einer jungen Frau, die nicht selbst bestimmen darf, wen sie liebt. Die Studierenden setzen sich mit ihrer Verantwortung als Angehörige der Staatlichen Filmschule auseinander und fragen sich, wie sie mit ihrem Zugang zu den Mitteln der Kunst und des Dokumentierens einen Unterschied machen können. Sie weigern sich, mit dem Tanzen und Träumen aufzuhören, während versucht wird, ihre Stimmen mit einer Welle der Gewalt zum Schweigen zu bringen.
In einer Collage aus dokumentarischen Protestaufnahmen, ekstatischen Tanzszenen, Zeitungsausschnitten, handgeschriebenen Skizzen und Überwachungskamera-Sequenzen vermischen sich träumerische Fiktion und das Abbild realer Gewalt.
A NIGHT OF KNOWING NOTHING ist ein Essay-Film, dessen monochrome 16mm-Bilder mit fesselnder Musik unterlegt sind. Er ist das Langfilmdebut der Regisseurin Payal Kapadia, die selbst im staatlichen Film- und Fernsehinstitut in Pune ausgebildet wurde. Mit dem Film gewann sie 2021 den Dokumentarfilmpreis der Filmfestspiele in Cannes.
Workshop III: Postkolonialer Stadtrundgang durch Rostock
Startpunkt vor der FRIEDA 23
Kolonialismus und indigene Ausbeutung spiegeln sich auch in der Rostocker Geschichte wider. Insbesondere gilt dies für human remains, die sich noch immer im Bestand öffentlicher Institutionen befinden. Der Rundgang möchte ein Bewusstsein für unterschiedliche Perspektiven schaffen und auf Verflechtungen der kolonialen Vergangenheit zur Gegenwart aufmerksam machen. Dabei geht es stets um das Sichtbarmachen globaler Zusammenhänge. Er möchte versuchen die schwere Tragweite begreifbar zu machen, die für Kolonisierte während dieser Epoche entstand und durch manifestierte Machtstrukturen auch heute noch besteht.
Gestaltet wird der Rundgang von Soziale Bildung e.V. in Kooperation mit der Initiative Rostock Postkolonial.
Anmeldungen sind möglich unter: globaleslernen@soziale-bildung.org
Di ist ein 12-jähriges Mädchen, als die Filmemacherin Ha Le Diem beginnt, ihr Leben für die nächsten 3 Jahre zu begleiten. Di lebt in der abgelegenen Bergregion Nordvietnams unweit der chinesischen Grenze und bestellt dort mit ihrer Familie Reisfelder. Sie ist eine Angehörige der ethnischen Minderheit der Hmong, bei der es nicht unüblich ist, Mädchen und Jungen jung zu verheiraten. Die Mädchen sind von sogenanntem Brautraub bedroht. Jungen können die Mädchen, die sie heiraten wollen, zu ihrer Familie verschleppen. Die Mädchen müssen von dort wieder fliehen, um sich der Hochzeit zu entziehen. Häufig haben sie nicht die Gelegenheit dazu. Es kommt zu sexueller Gewalt, manche werden über die chinesische Grenze entführt und dort an heiratswillige Männer verkauft.
Die Tradition des sogenannten Brautraubs ist in Vietnam verboten. Staatliche Programme versuchen die Hmong in die vietnamesische Mehrheitsgesellschaft zu assimilieren. In der Schule wird an die Mädchen appelliert, einer frühen Ehe nicht zuzustimmen. Doch die Hmong-Familien sind skeptisch gegenüber der Einmischung des Staates. Sie stehen unter einem enormen wirtschaftlichen Druck und wirken daher oftmals selbst auf die frühe Hochzeit ihrer Töchter hin.
Die Filmemacherin Ha Le Diem gehört selbst der ethnischen Minderheit der Tay an und wuchs im Nordosten Vietnams auf. Als in ihrer Jugend Freundinnen von ihr früh verheiratet wurden, empfand sie dies als das Ende ihrer Kindheit. Als junge Filmemacherin kam sie in Kontakt mit jungen Hmong Mädchen und lernte dabei Di kennen, woraufhin sie beschloss, das Thema ihrer eigenen Vergangenheit filmisch zu bearbeiten.
Zwischen Ha Le Diem und Li entwickelt sich eine innige Freundschaft, wodurch es der Filmemacherin gelingt, Lis Gedanken zu Liebe und Sexualität einzufangen und zu zeigen, wie sie mit der Bedrohung in der patriarchalen Gesellschaft umgeht.
Di muss unter großem Druck Entscheidungen treffen, deren Tragweite sie kaum abschätzen kann. Die Anwesenheit der Filmemacherin verändert die Situation in Lis Zuhause. Manchmal schützt die Kamera Li vor ihren unberechenbaren Eltern und erschwert Übergriffe durch die Familie, die um Li wirbt. Doch mit dem steigenden Vertrauen der Beteiligten gegenüber der Filmemacherin verliert ihre Präsenz diesen schützenden Einfluss und sie muss sich der Frage stellen, wann eine Dokumentarfilmerin in das Geschehen eingreifen muss, dass sie festhalten will.
Lougou, im heutigen Niger, ist Sitz der Sarraounia, weltliche Herrscherin und spirituelles Oberhaupt der Azna. Am Ende des 19. Jahrhunderts ist die in den Künsten des Krieges und der Magie ausgebildete Anführerin aufgefordert, die Unabhängigkeit ihres Volkes zu verteidigen. Denn es nähert sich der Trupp der französischen Generäle Voulet und Chanoine. Nach der 1884 von Reichskanzler Otto von Bismarck einberufenen Kongokonferenz in Berlin wurden sie entsandt, um im sogenannten „Wettlauf um Afrika“ einen möglichst großen Teil Westafrikas im Namen Frankreichs zu erobern. Sie hinterlassen eine Spur der Verwüstung und ermorden, wer sich ihnen in den Weg stellt. Rund um Sarraounias Reich haben sich die meisten Völker bereits unterworfen, kollaborieren oder schrecken vor dem Kampf zurück. Sarraounia stellt sich den kolonialen Großmachtfantasien entgegen und avanciert zum Symbol afrikanischen Widerstands gegen die europäische Eroberung.
Der 2019 verstorbene Regisseur Med Hondo verfilmte den gleichnamigen Roman seines Freundes, dem nigrischen Schriftstellers Abdoulaye Mamani, der auch das Drehbuch mit verfasste. Die Geschichte basiert auf historischen Begebenheiten. 1899 wurde der Palast der siebten Sarraounia Mangou in der Schlacht um Lougou zerstört.
Die Realisierung von Filmprojekten, die den Widerstand gegen den Kolonialismus auf dem afrikanischen Kontinent thematisierten, gestalteten sich als besonders schwierig, da das Filmschaffen auf dem Kontinent meist in politischer und wirtschaftlicher Abhängigkeit von den ehemaligen Kolonialmächten stand. Auch Hondos Projekt stieß auf zahlreiche Widerstände. Der Film sollte an den Originalschauplätzen in Lougou gedreht werden, was die nigrische Regierung in allerletzter Minute verhinderte, womöglich um das Verhältnis zu Frankreich nicht zu belasten. Hondo konnte die persönliche Unterstützung von Thomas Sankara, dem damaligen Präsidenten von Burkina Faso, gewinnen. Mit der Förderung aus Burkina Faso konnte die Produktion realisiert werden.
Der französische Verleiher brachte den Film anders als vereinbart gerade mal in fünf französische Kinos und nahm den Film nach zwei Wochen aus dem Programm. Dies zog folgenlose Proteste und den Vorwurf der Zensur nach sich. Der kommerzielle Misserfolg bedeutete den persönlichen Bankrott des Filmemachers.
SARRAOUNIA wird seitdem vor allem als Klassiker des Antikolonialen Films auf Festivals gezeigt. Der Film bietet eine Gegenerzählung der Kolonialgeschichte und eine politische Utopie. Hondos Sarraounia ist eine Herrscherin, die über Bevölkerungsgruppen und religiöse Grenzen hinweg Einigkeit im Widerstand gegen die Kolonisatoren schafft. Hondo besetzte den Film eigenen Angaben nach mit einer Crew aus möglichst vielen verschiedenen Gegenden Afrikas.
Sarraounia bedeutet Herrscherin auf Hausa. Die amtierende Sarraounia, Nachfolgerin der historischen Königin, die keine weltliche Macht mehr besitzt und in einem bescheidenen Haus in Lougou residiert, beriet Hondo beim Nachbau des Königspalastes in Burkina Faso.