20. - 22.11.2020
Editorial
Wir hoffen, dass die 8. Tage des indigenen Films wie gewohnt im November im Lichtspieltheater Wundervoll li.wu. in der Friedrichstraße 23 stattfinden können. Das diesjährige Film- und Workshop-Programm wird selbstverständlich entsprechend der dann erforderlichen Hygienemaßgaben umgesetzt. Falls die Durchführung im Kino nicht möglich ist, wird das Festival in diesem Jahr online stattfinden.
Indigene Gesellschaften werden weltweit innerhalb ihrer spezifischen regionalen und politischen Kontexte marginalisiert. Ihre Kulturen nehmen auf vielfältige Weise Bezug zur leidvollen Geschichte des Kolonialismus und zu dessen fortdauernden Auswirkungen. Die Aushandlung indigener kultureller Identität ist davon geprägt, sich einerseits gegenüber der hegemonialen Kultur und Lebensart zu behaupten und andererseits diese auch selbstbestimmt anzunehmen – also autonom die eigenen Lebensumstände zu gestalten.
In der medialen Darstellung indigener Menschen werden Stereotype und Klischees “reproduziert; in Film und Fernsehen haben Indigene selten eine eigene Stimme.
Die Tagen des indigenen Films wollen Interesse für die Kultur und soziale Situation indigener Gesellschaften wecken und bringen indigene Perspektiven auf die Leinwand. Die Beschäftigung mit indigenen Kulturen kann zu mehr gegenseitigem Verständnis beitragen, was ein konstruktives Miteinander auf Augenhöhe überhaupt erst ermöglicht.
In diesem Jahr beschäftigen wir uns mit dem Thema «Landrechte».
We hope that the 8th days of indigenous film, as usual, in November in the movie theater Wundervoll li.wu. can take place at Friedrichstrasse 23. This year’s film and workshop program will of course be implemented in accordance with the hygiene requirements then required. If it is not possible to take part in the cinema, the festival will take place online this year.
Indigenous societies are marginalized around the world within their specific regional and political contexts. Their cultures relate in many ways to the painful history of colonialism and its ongoing effects. The negotiation of indigenous cultural identity is characterized on the one hand by asserting oneself against the hegemonic culture and way of life and on the other hand by accepting them in a self-determined manner – that is, autonomously shaping one’s own living conditions.
In the media representation of indigenous people, stereotypes and clichés are “reproduced”; Indigenous people rarely have their own voice in film and television.
The days of indigenous film aim to arouse interest in the culture and social situation of indigenous societies and bring indigenous perspectives to the screen. Dealing with indigenous cultures can contribute to greater mutual understanding, which is what makes constructive cooperation on an equal footing possible in the first place.
This year we are dealing with the subject of «land rights».
Esperemos que la octava edición de „Los días de cine indígena“ como de costumbre en noviembre, se puedan llevar a cabo en el Cinema „Lichtspieltheater Wundervoll“. El programa de cine y talleres de este año se implementará, por supuesto, de acuerdo con los requisitos de higiene requeridos y en vigencia por el gobierno del estado. En caso de no poder realizar el festival en el cine, tendrá lugar en línea este año.
El tema de esta año es „Derecho a la Tierra“
Programm der Filmtage 2020
Alle Veranstaltungen finden online statt
Die kunstvollen Keramikarbeiten sind ein großer Stolz der Purépecha, einer indigenen Gruppe im Westen Zentralmexikos. Nach einem traditionellen Verfahren verzieren sie die Töpferwaren mit einer bleihaltigen Lasur, die ihnen ihren typischen Glanz verleiht. Vielen TöpferInnen ist gar nicht bewusst, wie gesundheitsgefährdend es für ihre Familien ist, ständig den verwendeten Stoffen ausgesetzt zu sein. Herlinda ist eine von wenigen KunsthandwerkerInnen, die nachhaltige, bleifreie Glasuren verwendet und ihre Gemeinde über die Gefahren aufklärt. Sie leistet mit ihren MitstreiterInnen echte Pionierarbeit, denn sie muss nicht nur gegen die etablierten Handelsbeziehungen kämpfen, die kaum Veränderung zulassen, sondern auch die Kundschaft überzeugen, auf die gewohnten Produkte zu verzichten. Für ihre beeindruckenden Stücke muss sie sich einen eigenen Markt aufbauen. Doch sie lässt sich von ihrem Weg nicht abbringen, denn sie ist von der großen Hoffnung getrieben, dass ihre Brüder vielleicht eines Tages aus den Vereinigten Staaten wiederkommen, wenn sie ein florierendes Geschäft für ihre nachhaltigen Produkte eröffnet. Eine unverhoffte Reise lässt ihre Träume aufleben. Doch auch die Behörden stellen sich Herlinda in den Weg.
Die meisten der 200.000 Purépecha leben im zentralmexikanischen Bundesstaat Michoacán, fernab der üblichen Touristenrouten in Mexiko. Das macht es den ortsansässigen KunsthandwerkerInnen schwer am gewinnbringenden touristischen Markt teilzuhaben. Die meisten der rund 12.000 KunsthandwerkerInnen leben unter der Armutsgrenze, obwohl sie noch einer weiteren Beschäftigung in der Landwirtschaft oder Industrie nachgehen.
Die Dokumentation BRILLIANT SOIL von den mexikanischen Regisseuren José Luis Figueroa Lewis und Sebastian Diaz Aguirre rückte die Situation der Purépecha stärker in den Fokus, woraufhin auch ihre Töpferwaren mehr Anerkennung in Mexiko und in den Vereinigten Staaten erfuhren.
Am Ufer des Rio Paraná in Paraguay lebt der alte Fischer Atilio zusammen mit seiner Familie und damit umgeben von Frauen und Mädchen, die sich darum bemühen ein bescheidenes Auskommen zu sichern.
Auch seine 14-jährige Enkelin Iara hilft tatkräftig mit. Sie ist gut in der Schule und entwickelt moderne Ansichten. Hingegen führt sich Atilio als Patriarch auf, der sich sorgt, ohne männlichen Nachwuchs sein kulturelles Erbe als Guaraní-Familienoberhaupt nicht weitergeben zu können. Als er erfährt, dass seine Tochter Helena, die in Buenos Aires arbeitet, um der Familie etwas Geld schicken zu können, einen Sohn erwartet, begibt er sich kurzerhand mit seiner Enkelin auf die Überfahrt in die große Stadt. Während die Weltbilder der beiden ungleichen Familienmitglieder aufeinanderprallen, finden sie zugleich einen Weg einander zu verstehen und sich gemeinsam zu behaupten.
Kulturelle Differenz trennt längst nicht nur AnhängerInnen verschiedener Ethnien, sondern auch Generationen mit ihren unterschiedlichen Lebensstilen. Die Fragen, wer man ist und wie man die eigene indigene Identität in einer sich ändernden Welt bewahren kann, werden daher immer auch innerhalb der Familie ausgehandelt. GUARANÍ erzählt davon sehr einfühlsam und stimmungsvoll. Der Film beinhaltet Elemente des Road Movies und des Coming of Age Films und entfaltet dabei eine malerische Kulisse der Landschaft entlang des Flusses Paraná.
Viele ParaguayerInnen migrieren nach Buenos Aires auf der Suche nach einem besseren Auskommen.
GUARANÍ bringt ihre Geschichte auf die Leinwand und erzählt vom Bewahren der eigenen kulturellen Identität, während das Leben in der großen Stadt längst Sehnsucht und Notwendigkeit geworden ist.
Obwohl nur etwa 1 Prozent der Bevölkerung in Paraguay offiziell der Ethnie der Guaraní zugeordnet werden, hat ein weitaus größerer Anteil Guaraní-Vorfahren und ihre Sprache wird von rund 80 Prozent der Bevölkerung gesprochen. Der Film verwendet fast ausschließlich die Sprache Guaraní – in ihren Varianten. Das Guaraní vom Fischer Atilio unterscheidet sich von dem der nicht-indigenen GesprächspartnerInnen.
Die noch gut 280.000 Menschen umfassende Ethnie kämpft um ihre Selbstbestimmung, da sie droht, in die Alltagskultur Paraguays assimiliert zu werden. Sowohl die Währung des Landes als auch die Fußballnationalmannschaft, zumindest bei ihrem Spitznamen, werden zum Beispiel “Guaraní” genannt. Währenddessen kämpfen die Guaraní ums Überleben, was der Film BIRDWATCHERS,, der im Rahmen der Tage des Indigenen Films am Sonntag, den 22. November um 20.00 Uhr im li.wu. gezeigt wird, thematisch weiter vertieft.
GUARANÍ ist der erste Langspielfilm von dem in Buenos Aires geborenen Filmemacher Luis Zorraquín und wurde vielfach auf Festivals in Südamerika und Europa ausgezeichnet.
In der Nähe eines kleinen Fischerdorfes an der Grenze zwischen Thailand und Myanmar sammelt der Fischer Nobi Steine in den Mangrovenwäldern, die er für die Jagd auf große Mantarochen benutzt. Doch die Wälder im Grenzgebiet haben sich in ein Massengrab verwandelt. Viele Rohingya, Anhänger der muslimischen Minderheit Myanmars, fliehen aufgrund ihrer politischen Verfolgung in ihrem Heimatland in die Nachbarländer. Etliche ertrinken auf der Flucht und werden in den Mangroven an Land gespült und hilfsweise an Ort und Stelle verscharrt. Doch der Mann, den der Fischer findet, ist noch lebendig. Der Unbekannte sagt kein Wort und so tauft ihn der Fischer nach einem thailändischen Popstar Thongchai. Die beiden freunden sich an und Thongchai lernt den Alltag von Nobi kennen. Als dieser unter mysteriösen Umständen verschwindet, fährt Thongchai an seiner Stelle auf See und führt sein Leben fort. Selbst die Exfrau des Fischers scheint ihn in der Rolle seines Freundes zu akzeptieren. Doch schließlich führt das Spiel der Identitäten ins Absurde.
Mit wenigen Worten behandelt der Film den Identitätsverlust von Geflüchteten und spürt der Machtlosigkeit nach, die Menschen begleitet, wenn sie als Niemand in einer fremden Gesellschaft ankommen und ihre Stimme kein Gehör findet. Der Film MANTA RAY meditiert über Gefühle der Einsamkeit und Verlorenheit im Kontext von Flucht, zeigt aber auch, wie Solidarität zwischen einsamen Seelen kulturelle Brücken schlägt und Verständnisschwierigkeiten überwinden lässt.
Traumhafte, rätselhafte Szenen erzählen statt Worten das Unsagbare, beschreiben die vage Unsicherheit Thongchais und führen zurück in den Wald, wo die Schicksale so vieler Rohingya endeten. Die fesselnde Stimmung wird gleichermaßen vom Sounddesign des französischen Duos Snowdrops getragen, welches die Wellen und den Wind mit elektronischen Klängen verbinden.
Manta Ray ist das Langfilmdebüt des thailändischen Filmemachers und Schriftstellers Phuttiphong Aroonpheng, der vorher international mit etlichen Kurzfilmen auf sich aufmerksam machte. Mit MANTA RAY gewann er bei dessen Premiere auf den Filmfestspielen in Venedig die Auszeichnung für den besten Film in der Kategorie Horizon.
Die Stadt Kalsaka liegt in der weiten Ebene von Burkina Fasos Norden. Auch wenn die Erträge des porösen Bodens eher gering ausfallen, lebt hier die Bevölkerung seit jeher von der Landwirtschaft. Die Gegend ist reich an Bodenschätzen. Der Abbau von Gold, Zink, Kupfer und Mangan könnte Wohlstand in die Region bringen. In Kalsaka sollte es 2008 endlich soweit sein. Sogar der Ministerpräsident ist gekommen, um die Goldmine neben der Stadt zu eröffnen. Das bringe Arbeit für Jung und Alt, eine moderne Infrastruktur, Stipendien für die Kinder der Stadt und sogar eine kostenlose Gesundheitsversorgung für alle wurde den BewohnerInnen zugesichert. Was ist aus den Versprechungen der Regierung geworden?
Sechs Jahre nach der Eröffnung der Mine kommt der Filmemacher Michel K. Zongo nach Kalsaka und die Menschen berichten, was es ihnen gebracht hat, dass jetzt ein britisches Bergbauunternehmen neben ihrer Stadt nach Gold schürft. Der Titel nimmt es vorweg. Nichts.
Die landwirtschaftlichen Flächen sind unbrauchbar geworden, die Trinkwasserversorgung ist beeinträchtigt, das heilige Land der Vorfahren wurde weggebaggert.
Der Filmemacher Michel K. Zongo setzt immer wieder die Mittel des Kinos ein, um Missstände in Burkina Faso bekannt zu machen, aber auch die Menschen vor Ort in Veränderungsprozesse einzubeziehen. In seinem dritten Langfilm NO GOLD FOR KALSAKA macht er die Ungerechtigkeit sichtbar, die den StadtbewohnerInnen widerfahren ist und gibt ihnen ein Sprachrohr, um ihre Forderung zu artikulieren. So ärgert sich zwar der Bürgermeister darüber, dass sie naiv an die Versprechungen der Regierung geglaubt haben, doch wolle man jetzt für Gerechtigkeit kämpfen. Der Film greift die Erzählweisen der portraitierten Bevölkerung auf. So führen die Gesänge des ansässigen Poeten Griot durch den Film, der die Stimmungen und Meinungen der Menschen zusammenfasst. In NO GOLD FOR KALSAKA wird die lokale Erzähltradition mit Stilmitteln des amerikanischen Western verschränkt, wozu sich eine Geschichte der Ausbeutung durch Goldschürfer und Banditen nur zu gut eignet.
Der ehemalige Präsident Blaise Compaoré regierte Burkina Faso knapp 3 Jahrzehnte politisch autoritär und liberalisierte die Wirtschaft, was ausländischen Investoren erleichterte im Land Geschäfte zu machen. Ab dem Jahr 2000 vergab seine Regierung Genehmigungen für den Bergbau. Die Zuschläge bekamen überwiegend multinationale Unternehmen mit Sitzen in Großbritannien, Kanada, Russland und Australien.
2015 kam es zu politischen Unruhen, nachdem Compaoré die Verfassung ändern wollte, um eine weitere Amtszeit für sich zu ermöglichen, gefolgt von einem Militärputsch und daraufhin einigen Monaten später Wahlen. Seit 2019 hat die neue Regierung des ehemaligen Oppositionspolitikers Roch Marc Kaboré die Kontrolle über Teile des Nordens und Ostens an jihadistische Milizen verloren, die aus Mali verdrängt wurden und in der muslimischen Bevölkerungsmehrheit der Regionen weitere Anhänger rekrutieren konnten. Seitdem sind innerhalb Burkina Fasos rund eine halbe Millionen Menschen auf der Flucht.
Noah Piugattuk führt als Ältester eine Inuit-Gruppe an, die in Igloolik, einer polaren Region der nördlichen Baffininsel beheimatet ist und dort, wie schon die Generation vor ihr, der Jagd nachgeht.
Auch eines Morgens im April 1961 begibt sich die Gruppe auf eine Fahrt in die Weite. Bei einer Rast treffen Sie "Boss", einen kanadischen Weißen. Die Begegnung ist von Verständigungsschwierigkeiten geprägt, doch wie sich herausstellt versucht Boss im Namen der Regierung Inuit zu überzeugen ihre selbst gewählte Lebensweise aufzugeben und in staatliche Siedlungen zu ziehen. Für Piugattuk kommt die Aufgabe seiner Heimat nicht in Frage und er sieht auch keinen Vorteil darin seine Kinder in die Schule zu schicken und Geld zu verdienen, für das er gar keine Verwendung hat. Boss wirkt allerdings nicht kompromissbereit.
Der Film übernimmt den ruhigen Rhythmus von Piugattuks Tagesablauf und führt durch dessen Alltag, bis er in der schicksalhaften Begegnung mit Boss mündet.
Mit dem Hin und Her an Übersetzungen und den damit verbundenen Missverständnissen sind nicht nur die Beteiligten auf der Leinwand, sondern auch die ZuschauerInnen konfrontiert. Die Beklemmung, aber auch die Komik der Situation lassen sich dadurch umso eindrücklicher mitempfinden.
Der Film ist ein Stück Geschichtsschreibung, konsequent aus der Perspektive der betroffenen Inuit erzählt. Noah Piugattuk, 1900 geboren, sah in seinem Leben, wie die Igloolik-Inuit die nomadische Lebensweise in seiner Heimatregion aufgaben und den überwiegenden Teil ihres Territoriums an den kanadischen Staat abtraten.
Der Filmemacher Zacharias Kunuk, dessen Debütfilm ATARNAJUAT (2001) auf den letzten Tagen des indigenen Films gezeigt wurde, gründete die erste Inuit-Produktionsfirma ᐃᓱᒪ (Isuma). Auf der Website von Isuma finden sich über 20 Interviews mit dem 1996 verstorbenen Noah Piugattuk. Kunuk, selbst in Igloolik geboren, repräsentierte mit ONE DAY IN THE LIFE OF NOAH PIUGATTUK Kanada auf der Biennale di Venezia 2019.
Vor nicht einmal hundert Jahren war Australien zweigeteilt: Die eine Hälfte hatten weiße Siedler bereits erobert, in großen Teilen des Outbacks lebte die indigene Bevölkerung noch weitestgehend selbstbestimmt.
Die Frontier, das Gebiet der letzten Außenposten der Siedler, ist das typische Setting amerikanischer Western. Wo heute die Stadt Alice Springs von TouristInnen als Ausgangspunkt für Ausflüge zum australischen Wahrzeichen Uluru, dem für die dort ansässigen Aborigines heiligen Monolithen, genutzt wird, war noch Ende der 1920er Jahre der vermeintliche "Wilde Westen" Australiens.
Hier arbeiteten die Aborigines Sam und Lizzie Kelly auf der Farm des freundlich gestimmten weißen Predigers Smith. Der übellaunige Weltkriegsveteran March übernahm kürzlich die Nachbarranch. Er fragt Smith, ob er seine Angestellten “ausborgen” könne, um seine Koppel zu reparieren. Auf der Farm sind Sam, Lizzy und ihre Nichte Lucy Marchs Misshandlungen ausgeliefert. Auch der junge Aborigine Philomac wurde zu March gebracht, um für ihn zu arbeiten. Als die vielfachen Gewaltausbrüche Marchs in einer für die Aborigines lebensbedrohlichen Situation münden, sehen sich Sam und Lizzie gezwungen die Gerechtigkeit der australischen Gesellschaft auf die Probe zu stellen.
SWEET COUNTRY ist ein Neo-Western, der Erzählformen der Aborigines aufgreift. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind miteinander verwoben und stehen gleichberechtigt nebeneinander. Rückblenden und Vorgriffe verweisen auf Zusammenhänge in der Geschichte, die über eine zeitliche Abfolge handlungstreibender Elemente hinausgeht.
Der Film basiert auf einer wahren Geschichte, die der echte Philomac, der Großvater des Drehbuchautors Tranter, erlebt und seinem Enkel erzählt hat. Die Familiengeschichten handeln davon, wie Recht und Gesetz der britischen Krone, die hier offiziell galten, in den kolonisierten Gebieten nicht für alle angewandt wurden und wie der Rassismus des australischen Hinterlandes auch das Leben der nachfolgenden Generationen geprägt hat. Regisseur Warwick Thornton, die Drehbuchautoren, weite Teile der Filmcrew und SchauspielerInnen kommen aus der Gegend, in der auch der Film spielt.
Der Filmemacher Thornton widmete sein bisheriges Schaffen der Kultur der Aborigines und bringt ihre Erzählkultur auf die Leinwand. Er arbeitete bereits als Jugendlicher bei der von seiner Mutter gegründeten Central Australian Aboriginal Media Association und wurde dort zum Kameramann ausgebildet. Sein Langfilmdebüt Samson & Delilah (2009) gilt als erster Spielfilm von und mit Aborigines vor und hinter der Kamera. Werke von Thornton waren Teil internationaler Kunstausstellungen wie der DOCUMENTA (13) in Kassel.
Landrechte und indigenes Wissen in Amerika
Die systematische Unterdrückung indigenen Wissens durch den kolonialen Diskurs in den Amerikas und sein Ersatz durch Mythen von Wildheit und Nomadentum dient(e) sowohl der Rechtfertigung der Landnahme als auch der Tilgung alternativer Wissensbestände, die in Widerspruch zur westlich-kapitalistischen Dichotomie zwischen Mensch und Natur stehen. Insbesondere in der „dritten“ und „vierten“ Welt Latein- und Nordamerikas geht die ökologische Krise – zentral die Vernichtung und der Raub von Land in bisher kaum gekanntem Maßstab – mit der direkten Bedrohung indigener Lebens- und Wissensformen einher. Der Vortrag verbindet aktuelle Diskussionen über Ökozid, Anthropozän und landgrabbing in Amerika mit einer Erörterung indigener epistemischer Beziehungen zum Land, die sich z.B. in tradierten Geschichten und kulturellen Praktiken artikulierten. Diese „stories“ enthalten wertvolles ökologisches Wissen über das Verhältnis zwischen Menschen und Land, das zur Überwindung der aktuellen Krise beitragen könnte – nicht nur in Amerika sondern überall.
„A very long way to go“: Die Darstellung der Indigenen in Museen und Medien
„A very long way to go“: Die Darstellung der Indigenen in Museen und Medien. Vortrag von Dr. Geneviève Susemihl
Museen und Medien spielen eine wichtige Rolle in der Repräsentation ethnischer Vielfalt und der Formung von Identitäten. Häufig werden indigene Völker immer noch in stereotypischer Weise dargestellt und eine ethnisch-kulturelle „Andersartigkeit“ unterstrichen. Indigene Medien und Museen spielen bei der Überwindung stereotyper Denkweisen eine große Rolle. Sie helfen auch den Indigenen dabei, eine eigene Identität zu finden und den Zusammenhalt untereinander zu stärken.
Dieser Vortrag untersucht die Darstellung Indigener in Museen in Kanada, den USA, Australien und Neuseeland sowie ihr Mitwirken im Management und in der Konzeption von Ausstellungen. Wie sichtbar sind vor allem indigene Frauen? Wie werden sie „ausgestellt“? Welche Geschichten werden über sie erzählt? Wer beeinflusst die Sicht auf diese Darstellungen? Wenn man diese musealen Orte besucht, und die Geschichten erfährt, wird klar, dass Kultur ein konzeptionelles Konstrukt ist und sich nicht für Sammlungen eignet. Die Geschichten über die verschiedenen Kulturen müssen von verschiedenen Stimmen und aus verschiedenen Perspektiven erzählt werden. Als wichtige Stätten der Selbst-Repräsentation spielen Museen eine zentrale Rolle im Prozess der Heilung indigener Gemeinschaften. Für die Mohawk Aktivistin Dawn Maracle gibt es hier allerdings noch viel zu tun --- „a very long way to go“.
Dr. Geneviève Susemihl ist Kultur-, Literatur- und Medienwissenschaftlerin am Englischen Seminar der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und Sprecherin der Sektion "Indigenous and Cultural Studies" der Gesellschaft für Kanada-Studien. Seit über 20 Jahren forscht und lehrt sie zum Thema Indigene Völker und Kulturen Nordamerikas. Sie hat zahlreiche wissenschaftliche und journalistische Artikel zum Thema veröffentlicht und das Buch "Bären, Lachse, Totempfähle: Die kanadische Inselgruppe Haida Gwaii am Rand der Welt" geschrieben. Derzeit arbeitet sie an einem Forschungsprojekt zum Thema "World Heritage and Indigenous Empowerment".
Indigener Naturschutz: weg von postkolonialen Strukturen
Weltweit – von Brasilien bis Indien – gibt es massive Angriffe auf die Rechte indigener Völker. Im Mittelpunkt stehen dabei häufig die Landrechte, die ihnen zustehen, aber nicht zugesprochen werden. Die Folgen sind in vielerlei Hinsicht fatal. Indigene Völker sind die besten Naturschützer der Welt: Wenn ihnen ihre Landrechte zugesprochen werden, erzielen sie herausragende Ergebnisse im Naturschutz. Nach einem einführenden Vortrag zum Thema Landrechte (im Naturschutz) steht Survival International gerne für Fragen und einen gemeinsamen Austausch darüber zur Verfügung.
Survival International ist die globale Bewegung für indigene Völker. Wir arbeiten seit über 50 Jahren direkt mit indigenen Gemeinschaften zusammen. Dafür treffen wir weltweit Vertreter*innen der Gemeinschaften und unterstützen sie in ihrem Kampf für ihre Rechte. Wir helfen ihnen, ihr Leben zu verteidigen, ihr Land zu schützen und ihre Zukunft zu sichern. Sakina Johow arbeitet als Assistenz der Geschäftsführung im Berliner Büro und freut sich auf eine ausgiebige Diskussion.