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Freitag, 23.11.2018


20:00

I AM NOT A WITCH

von Rungano Nyoni

Spielfilm, UK/Frankreich/Deutschland/Zambia, 93min, OmeU, 2017

Moderation: Enoka Ayemba


Das 9-jährige Waisenkind Shula wird nach einem unbedeutend scheinenden Vorfall von den BewohnerInnen ihres Dorfes im ländlichen Sambia der Hexerei bezichtigt und nach kürzester Zeit von der lokalen Polizei für schuldig erklärt; diese unternimmt nichts, um das Mädchen zu schützen. Sie wird ihres Dorfes verwiesen und in die Obhut eines korrupten Regierungsbeamten übergeben. Dieser bringt sie in ein Hexen-Camp, in dem sie, als einziges Kind, zusammen mit anderen zu Hexen erklärten Frauen leben soll. Die Camp-Bewohnerinnen werden mit Schleifen verankert und es wird ihnen erzählt, dass sie verflucht und in eine Ziege verwandelt werden, sollten sie deren Bänder durchtrennen. Im Camp werden sie zum Arbeiten gezwungen und ihre vermeintlichen magischen Kräfte zur Schau gestellt, was unter anderem die Begierde von europäischen TouristInnen nach dem Exotischen befriedigen soll. Shula passt sich dem Alltag im Camp an, doch ihr Drang nach Freiheit stellt sich der Aufforderung entgegen, sich mit ihrem Schicksal abzufinden.


I AM NOT A WITCH ist ein Spielfilm, der mit Ironie, Übertreibungen und Elementen des Magischen Realismus Gesellschaftskritik übt. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf modernen Hexereivorstellungen und Hexenjagden. Die Filmemacherin Rungano Nyoni, selbst in Sambia geboren und in Wales aufgewachsen, verbrachte einige Zeit in einem Hexen-Camp in Ghana und lässt ihre Begegnungen mit dem Alltag der dort lebenden BewohnerInnen in den Film einfließen. Die Perspektive betroffener Frauen stellt der Film in den Mittelpunkt. Er thematisiert das System der Hexereibeschuldigungen, mit dem lokale Konflikte verhandelt werden, an dem die Regierung mitverdient und in dem sich betroffene mit ihrem Schicksal arrangieren, um zu überleben. Die Sprachlosigkeit der Protagonistin verdeutlicht, dass - anders als der Filmtitel suggeriert - das Abstreiten sozialer Zugschreibungen oftmals keine Option ist. Darüber hinaus werden sensationsgetriebene Medien, die Sehnsucht von TouristInnen nach dem Exotischen, sowie die Korruption des Staatsapparates thematisiert – und damit das Zusammenspiel verschiedener Akteure, die sich auf Kosten marginalisierter Personen bereichern. 


Shula und die anderen ProtagonistInnen werden durch LaiendarstellerInnen gespielt, was die sozialen Interaktionen besonders überzeugend macht.

I AM NOT A WITCH ist Nyonis erster Langfilm, mit dem sie 2017 beim Cannes Film Festival und 2018 mit einem BAFTA geehrt wurde. Der Film wird in den Originalsprachen Nyanja und Englisch gezeigt.


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Freitag, 23.11.2018


22:00

VALLEY OF SAINTS - EIN TAL IN KASCHMIR

von Musa Syeed

Spielfilm, Indien/USA, 82min, OmdU, 2012

Moderation: Gerrit Lange


Der Fährmann Gulzar wohnt in einer Pfahlsiedlung direkt auf dem Bergsee Dal, einst bekannt als „Kronjuwel Kaschmirs“. Da Armut, politische Spannungen, Krieg und Terrorismus seine Heimat prägen, plant er zusammen mit seinem Freund Afzal nach Delhi zu fliehen, doch eine vom Militär verhängte Ausgangssperre kommt ihnen in die Quere. Als Gulzar die Wissenschaftlerin Asifa kennenlernt und beschließt, ihr trotz der Ausgangssperre bei der Erforschung des Sees zu helfen, wird die Freundschaft der beiden Männer auf die Probe gestellt. Gulzar muss sich entscheiden: Versucht er in der Großstadt sein Glück oder bleibt er in seiner Heimat, um gegen die Umweltverschmutzung zu kämpfen, die die traditionelle Lebensweise in seinem Dorf bedroht?


VALLEY OF SAINTS verbindet Spielfilm und Dokumentation. In einer klassischen Erzählung über Freundschaft, Liebe und Eifersucht wird das Dilemma zwischen sozialen Verhältnissen und ökologischer Verantwortung eingebettet. VALLEY OF SAINTS zeigt auf, dass in der Debatte um Nachhaltigkeit der limitierende ökonomische Faktor zentral ist: die lokale Gemeinschaft allein kann nicht die - wirtschaftliche wie moralische - Verantwortung für den Zustand der dortigen Natur tragen. Oft wird aus Perspektive von Industrienationen von indigenen Gemeinschaften erwartet, eine destabilisierte Umwelt selbst wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Doch u.a. die Armut eben dieser Gemeinschaften - herbeigeführt durch ihre systematische ökonomische Ausbeutung - macht dies unmöglich.

Der Dal-See befindet sich neben der Millionenstadt Srinagar, Hauptstadt des nördlichsten indischen Bundesstaates Kaschmir, im Himalaya. Die idyllische und kühle Lage des Sees machte ihn zu einem beliebten Sommersitz der Herrscher der Mogul-Dynastie und der britischen Kolonisatoren. Unweit befinden sich wichtige Heiligtümer, sowohl des Islam als auch des Hinduismus. Seit der Staatsgründung Pakistans 1947 kam es hier immer wieder zu militärischen Auseinandersetzungen. Die letzte kriegsähnliche Eskalation des Kaschmir-Konflikts ist keine 20 Jahre her. Indien, Pakistan und China erheben Gebietsansprüche auf Teile der Region. Terroristische Gewalt ist andauernde Realität in Kaschmir, der seit dem Jahr 2000 über 20.000 Menschen zum Opfer fielen.


Der Filmemacher Musa Syeed stammt von Kaschmiris ab, die noch vor seiner Geburt in die USA migrierten. Syeed kannte das Kaschmirtal als Sehnsuchtsort seiner Eltern. Als er selbst die Region bereiste, nahm er wahr, wie der Dal-See heute als touristische Attraktion und Kulisse für Bollywood-Filme genutzt wird. Er lebte einige Zeit in einem Pfahldorf auf dem See und beschloss mit lokalen LaiendarstellerInnen einen Film zu drehen. Der Hauptdarsteller Gulzar Ahmed Bhat ist auch in seinem echten Leben Bootsmann.

Die politische Situation vor Ort prägte die Dreharbeiten. Das Filmteam war mit einer plötzlichen Ausgangssperre konfrontiert, die spontan in das Drehbuch eingearbeitet wurde.

Sie mussten mit möglichst kleiner Besetzung drehen, um wenig Aufmerksamkeit zu erzeugen.

Der Film wird in der Originalsprache Kaschmiri mit Untertiteln gezeigt.



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Sonntag, 25.11.2018


17:00

RIVER ROAD

von Li Ruijun

Spielfilm, China, 103min, OmeU, 2014

Moderation: Stefanie Land-Hilbert


Im Nordwesten Chinas, südlich der Mongolei, liegt die Provinz Gansu. Hier begann einst die antike Seidenstraße. Heute leben die beiden Brüder Bartel und Adikeer hier das Jahr über in der Stadt, während ihr Vater in der Hochebene Schafe hütet. Doch in diesem Sommer holt er sie nicht wie gewohnt ab. Als ihr Großvater plötzlich stirbt, begeben sie sich auf die Rücken ihrer Kamele und folgen einem ausgetrockneten Flussbett, um draußen in der Wüste ihren Vater zu suchen.


RIVER ROAD porträtiert die Rivalität der beiden Geschwister untereinander und zeigt die beeindruckenden Landschaften, die die beiden durchreisen. Der Film thematisiert dabei die Beziehung der Menschen zu dem Land, das sie umgibt, und dessen Einfluss auf die Familienstrukturen. Es wird deutlich, wie die lokalen Auswirkungen der Globalisierung und des Klimawandel die Grundlagen der nomadischen Lebensweise in Gansu bedrohen.


Aus der Perspektive der Jungen werden Einblicke in die gegenwärtige Lebenssituation der Yuguren möglich, einer der kleinsten ethnischen Minderheiten Chinas. Die Kinder sprechen Yohur, eine Turksprache mit aktuell rund 4.600 MuttersprachlerInnen. Die beiden jungen Hauptdarsteller lernten mit Hilfe von Audioaufnahmen älterer Yuguren ihre Texte ein, was verdeutlicht, dass die Zahl der aktiven SprecherInnen von Generation zu Generation geringer geworden ist.

Der junge Filmemacher Li Ruijun kommt selbst aus Gansu. Ihm zufolge werden die kulturellen Eigenarten der Yuguren in seiner Heimatprovinz seltener wahrnehmbar, da sie sich zunehmend in der chinesischen Mehrheitsgesellschaft auflösten. RIVER ROAD erhielt große internationale Aufmerksamkeit durch Erfolge auf Film-Festivals in Tokio, Hongkong, Berlin und Colombo. Er erreichte dennoch kein großes Publikum in China, da viele Kinos zögerten, den für den dortigen Markt ungewöhnlichen Film in ihr Programm aufzunehmen.


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Sonntag, 25.11.2018


19:00

ATANARJUAT - DIE LEGENDE VOM SCHNELLEN LÄUFER

von Zacharias Kunuk

Spielfilm, Kanada, 167min, OmdU, 2001

Moderation: Christin Gustke



In den Arktis-Gebieten des heutigen Kanadas wird die Macht zwischen zwei rivalisierenden Inuit-Familien neu ausgehandelt. Der Protagonist Atanarjuat - der schnelle Läufer - steht im Mittelpunkt von Intrigen, denn er wirbt erfolgreich um die begehrte Atuat, die eigentlich Oki, dem Sohn des Anführers, versprochen wurde. Okis Schwester Puja möchte Atanarjuat für sich haben und zettelt einen Streit zwischen ihm und seinem Bruder an. All dies mündet in einer abenteuerlichen Verfolgungsjagd, bei der Atanarjuat gezwungen ist, völlig nackt durch Schnee und Eis zu flüchten. Die Geschichte spielt in der Zeit vor der europäischen Besiedlung Nordamerikas und basiert auf einer alten Legende der Inuit, die seit Generationen mündlich weitergegeben wird.


ATANARJUAT ist das Debut des heutigen Oscar-Academy-Mitglieds Zacharias Kunuk. Er gründete die erste von Inuit geführte Filmproduktionsfirma und produzierte mit ihr den ersten Spielfilm, der komplett in der Sprache Inuktitut geschrieben und gedreht wurde. 


ATARNAJUAT ist ein herausragendes Beispiel für einen mitreißenden Spielfilm, der sowohl vor als auch hinter der Kamera konsequent die Perspektiven indigener AkteurInnen abbildet und dabei die Sehgewohnheiten der ZuschauerInnen herausfordert. Der bedachte Einsatz von Worten lässt viel Raum für die Entfaltung der Lebensrealitäten der ProtagonistInnen im Bild.


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